Positionen und Empfehlungen des Stadtteilrates Barmbek-Süd zur Begutachtung und Entwicklung der Magistrale Nord

Eine Stellungnahme des Stadtteilrates Barmbek-Süd.

Der Stadtteilrat Barmbek-Süd begrüßt grundsätzlich, dass die Magistrale Nord gutachterlich unter die Lupe genommen wird und planerische Perspektiven für eine Verbesserung der Wohn(umfeld)- und Verkehrssituation entwickelt werden sollen. Der Stadtteilrat ist gern bereit, sein Erfahrungswissen, auch basierend auf den Kontakt zu vielen Bürger/innen, einzubringen und betont, dass sich die planerischen Prioritäten unbedingt an den realen Problemen orientieren sollten: Notwendig sind daher zuallererst konkrete Lösungsvorschläge, deren praktische, straßenbauliche Umsetzung dazu beitragen würden, bestehende Gesundheitsgefährdungen durch KfZ-Emissionen spürbar zu verringern. Gleichzeitig muss der schadstofffreien Mobilität – zu Fuß oder mit dem Rad – deutlich mehr Raum verschafft werden. Zudem ist es nötig, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum entlang der Magistrale erheblich zu verbessern und auch mehr Platz für nichtmotorisierte Nutzungen zu schaffen. Nachverdichtungen mittels Errichtung neuer Häuser, die ja offensichtlich Anlass und Hauptziel des Gutachtens sind, lehnen wir nicht kategorisch ab. Sie dürfen aber nur dann erwogen und realisiert werden, wenn zuvor bzw. gleichzeitig der motorisierte Verkehr endlich so vermindert worden ist, dass geltende Grenzwerte eingehalten werden. Zudem muss in jedem Einzelfall geklärt und veröffentlicht werden, welche klimatischen Auswirkungen mit welcher geplanten Nachverdichtung verbunden sein würden und ob diese verantwortbar ist oder nicht. Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung und Transparenz möglicher Planungen ist unabdingbar. Dies gilt selbstverständlich auch im Kontext des Magistralen-Gutachtens, weshalb Ausschreibung und Vertrag zur Erstellung des Gutachtens auf dem einschlägigen Beteiligungs-Portal zu veröffentlichen sind, damit Ziele und Methodik für jedermann transparent und nachvollziehbar gemacht werden.

Empfehlungen zu einzelnen Problemen und Aspekten

Einhaltung von Grenzwerten planerisch vorbereiten – Gesundheit von Anwohnern und nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer/innen schützen

Die krank machende Verlärmung an der Hamburger Straße wurde bereits vor Jahren gutachterlich und auch im behördlichen Auftrag festgestellt. Aus den Erkenntnissen wurden aber weder praktischen Konsequenzen gezogen noch Maßnahmen realisiert, die geeignet wären, den Lärm und die Zahl der Fahrzeuge auf ein gesundheitsverträgliches Maß zu reduzieren. Die Schadstoffbelastung der Luft wird entlang der Magistrale Nord bisher überhaupt nicht gemessen, tatsächlich dürfte sie aber ähnlich hoch sein wie an der Habichtstraße, wo die Stickstoffdioxid-Grenzwerte ständig deutlich überschritten werden.

Der Stadtteilrat empfiehlt: Das Gutachten muss konkrete Vorschläge erarbeiten, wie der KfZVerkehr auf der Magistrale so weit verringert werden kann, bis die geltenden Regeln zum Schutz der menschlichen Gesundheit eingehalten werden. Als wirksame, zu untersuchende Maßnahmen bieten sich zum Beispiel an: Reduzierung, Verengung und Rückbau von KfZ-Fahrbahnspuren, außerdem ein Tempolimit auf 30 km/h. Überfällig ist die Installation einer Mess-Station, die kontinuierlich die reale Luftbelastung erfasst und öffentlich macht. Dabei sollen Messungen kein Selbstzweck sein. Aus den Feststellungen müssen praktische Konsequenzen gezogen werden.

Schadstofffreie Mobilität zielstrebig bevorzugen – mehr Platz planen und schaffen für Fußgänger/innen und Radfahrer/innen

Der verkehrsplanerische Blick auf die Magistrale und die traßenbaulichen Umsetzungen waren einseitig an dem Leitbild orientiert, die Funktion als Hauptverkehrsader für Pkw und Lkw zu ermöglichen und zu optimieren. Das sichtbare Ergebnis sind mehrspurige, breite Autofahrbahnen – und weniger gut sichtbare Belastungen für nichtmotorisierte Menschen.

Der Stadtteilrat empfiehlt: Der Trend muss endlich umgekehrt werden. Das bedeutet: Das Gutachten mit dem Anspruch, ein „Leitbild“ für die Entwicklung der Magistrale zu schaffen, muss klar die Mobilität nicht-motorisierter Menschen verbessern helfen – und damit auch bevorzugen.
Rad- und Fußwege entlang der Magistrale sind an vielen Stellen eng, die Überquerung der breiten KfZ-Magistrale ist an viel zu wenigen Stellen möglich und gerät auch noch zum Geduldspiel. Die Gutachter sollten sorgfältig prüfen und aufzeigen, wo Radwege auf die heute noch von KfZ exklusiv genutzten Fahrbahnen verlegt werden können. Dies setzt – je nach Straßenabschnitt – voraus, dass dem KfZ-Verkehr entweder eine komplette Spur entzogen würde oder dass KfZ-Spuren mindestens deutlich verengt würden. Radwege, die bisher direkt neben Fußwegen angelegt sind, könnten dann entfallen, womit wiederum Platz für breitere und attraktivere Fußwege entstehen würden. Zudem ist minutiös zu untersuchen, wo zusätzliche Querungen (Ampeln mit ausreichenden Zeittakten, Zebrastreifen etc.) geplant und gebaut werden könnten.

Aufenthaltsqualität entlang der Magistrale verbessern – mehr Räume zum Treffen und Verweilen planen, schaffen und vom Straßenraum zurückerobern

Es gibt viel Platz auf der Magistrale für den motorisierten Verkehr – aber nur wenig Raum für Menschen, die sich dort ungestört von Lärm und Dreck aufhalten wollen. Eine eklatante Situation gibt es zum Beispiel am Barmbeker Markt. Aber auch vor dem Ernst-Deutsch-Theater, wo es ja einen kleinen Platz gibt, lädt dieser nicht wirklich zum Verweilen ein.

Der Stadtteilrat empfiehlt: Das Gutachten sollte aufzeigen, wo Straßenraum zurückgewonnen werden kann, wo durch Einschränkung der Verkehrsfunktion Platz für Treffpunkte zum Verweilen geschaffen werden kann. Hier die Bedürfnisse der Bürger/innen abzufragen, ist sicherlich hilfreich. Orientierung, in welche Richtung es planerisch gehen kann, könnte zum Beispiel die Fuhlsbüttler Straße bieten. Die dortigen Umbauten und Verbreiterungen des Fußweges kommen nicht nur den Fußgänger/innen, sondern wohl auch den Geschäften und Gastronomen zu Gute.

Nachverdichtungen interdisziplinär prüfen und planen – gesundheitliche, ökologische und soziale Belange einbeziehen und transparent machen

Hauptanliegen des vergebenen Gutachtens sind offensichtlich die so genannte „Nachverdichtung“ und die Identifikation von Flächen für Neubauten. Die Gutachter sollen, laut Auftrag, „Entwicklungsmöglichkeiten auch für den Wohnungsbau“ aufzeigen; zudem sollen die Auftragnehmer „beispielhafte Ansichten“ für „Nachverdichtungspotentiale im Wohnungsbau“ darstellen.

Der Stadtteilrat empfiehlt: Preiswerten Wohnraum zu schaffen, ist notwendig, gerade in Hamburg. Er ist aber nur dort zu verantworten, wo Bewohner/innen nicht dauerhaft krank machenden Emissionen ausgesetzt werden. Wer entlang der Magistrale neuen Wohnraum schaffen will, sollte also zunächst sicher stellen, dass die geltenden Grenzwerte eingehalten werden. Ist diese Voraussetzung – irgendwann endlich – erfüllt, sollte bei jedem Bauprojekt sorgfältig geprüft werden, wie eine weitere Bebauung (und ihre Höhe) entlang der Magistrale das innerstädtische Klima beeinflussen würde. Ist eine Bebauung unter diesen Voraussetzungen unbedenklich, muss außerdem sichergestellt werden, dass der geschaffene Wohnraum bezahlbar ist. Gleiches gilt für Geschäftsräume. Das Gutachten sollte solche Zusammenhänge zumindest benennen und als Voraussetzung für konkrete Planungen empfehlen.

Beteiligung und Transparenz ernst nehmen, planen und stets praktisch realisieren

Das beauftragte Magistralen-Gutachten ist eine Fachexpertise – aber keine konkrete Straßen(umbau)Planung. Gleichwohl sollen die Ergebnisse die „Leitbildentwicklung“ für die Zukunft der Magistrale unterstützen. Damit hat das Gutachten auch politische Relevanz.

Der Stadtteilrat empfiehlt: Angesichts des „Leitbild“-Anspruchs ist es wichtig, eine breite Beteiligung von Bürger/innen permanent zu ermöglichen. Immerhin hat das Bezirksamt eine Infoveranstaltung ausgerichtet und im Internet ein Portal www.hamburg.de/magistrale-nord einrichten lassen, wo interessierte Bürger online Ideen, Kritik und Anregungen öffentlich hinterlassen konnten. Allerdings nur für vier Wochen. Es wäre hilfreich, dieses Portal auch weiterhin für Anregungen, die online eingestellt werden, offen zu halten. Zudem regen wir an, Ausschreibung und Vertrag zur Erstellung des Gutachtens auf dem Beteiligungs-Portal zu veröffentlichen, damit Ziele und Methodik für jedermann transparent und nachvollziehbar gemacht werden.
Notwendig sind aber auch weitere Formate, bei denen Bürger/innen – ohne zahlenmäßige Beschränkung – mit Planern, Politikern und Behörden direkt ins Gespräch kommen können. Dafür braucht es deutlich mehr Zeit und Gelegenheiten, als für das Gutachten vorgegeben wurden.

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