Die Mietenpolitische Situation in Hamburg

Ein Beitrag von Bernd Vetter, Mieteranwalt und Aktivist in der Mieterbewegung.

Das Hauptproblem in Hamburg sind nicht die neuen, finanzmarktorientierten spekulativen Akteure auf dem Wohnungsmarkt.

Das hängt auch damit zusammen, dass Hamburg (im Gegensatz z. B. zu Berlin) seine kommunalen Wohnungsbestände nicht veräußert hat (allerdings sind von Hamburg in erheblichem Umfang in früheren Jahren Grundstücke und Gebäude veräußert worden, in denen z. B. Behörden saßen, die Hamburg dann zu einem horrenden Mietzins zurückgemietet hat). 

In Hamburg gibt es ca. 956.000 Wohnungen, wovon die SAGA und die Genossenschaften allein jeweils ca. 130.000 Wohnungen haben. Deswegen spielen die finanzmarktorientierten Akteure in Hamburg nicht die entscheidende Rolle. Allerdings haben Vonovia (ca. 12.000 Wohnungen) und Akelius (ca. 4.500 Wohnungen) einen erheblichen Bestand in Hamburg und treiben dort ihr Unwesen durch mieterverdrängende Modernisierungen, Vernachlässigung des Wohnungsbestands und maximale Mieterhöhungen. Es haben sich dort Mieterinitiativen gebildet, die von „Mieter helfen Mietern“ und auch vom „Mieterverein zu Hamburg“ unterstützt werden. Sie machen überwiegend bei „Recht auf Stadt“ und beim „Mietenmovie“, zuletzt im Mai 2019, mit.

Wir haben es hier hauptsächlich mit kleinen und teilweise mittleren privaten Spekulationsfirmen zu tun. Diese haben aber bei ihrer Spekulation in Hamburg – auch abgesehen von der mieterfeindlichen Gesetzgebung und der ebenso mieterfeindlichen Rechtsprechung des 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs – in Hamburg besonders leichtes Spiel. Dies hängt mit dem von dem ehemaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz ausgerufenen „Bündnis für Wohnen“ zusammen.

Seine angebliche Lösung der Wohnungsfrage samt Mietenexplosion lautete: Bauen, Bauen, Bauen ! Jedes Jahr sollten in Hamburg 8.000, später 10.000 Wohnungen gebaut werden. In diesem „Bündnis für Wohnen“ sind natürlich auch die Vermieterverbände, die Wohnungsunternehmen etc. vertreten. Ihnen wird dann garantiert, dass die Hamburger Behörden Ihnen keinerlei Steine in den Weg bei ihren Tätigkeiten legt. Das umfasst Bauanträge, Bauvorbescheide, Zweckentfremdungsgenehmigungen für Abriss und Leerstand, erleichterten Dachgeschoßausbau, Abholzen von Bäumen etc. Die Spekulanten bekommen von den Behörden alles, was sie wollen. Die MieterInnen können dagegen nichts unternehmen, weil es sich um verwaltungsrechtliche Vorgänge handelt, bei denen die MieterInnen weder antragsberechtigt noch widerspruchsberechtigt noch gar klagberechtigt sind. Die Bezirksämter bekommen vom Senat Prämien für jede Baugenehmigung. So sind dann die 8.000 bzw. 10.000 jährlichen Baugenehmigungen in etwa erreicht worden (was nicht heißt, dass der tatsächliche Wohnungsbau auch so erfolgt ist). Bei den errichteten Wohnungen wird dann vom Senat immer der sogenannte Drittelmix in den Vordergrund geschoben (1/3 Eigentumswohnungen, 1/3 frei finanzierte Wohnungen, 1/3 Sozialwohnungen). Tatsächlich werden aber höchstens 20 % Sozialwohnungen errichtet. Dies sind viel weniger Sozialwohnungen als jährlich aus der Bindung fallen.

Zum 01.01.2018 gab es noch ca. 77.500 Sozialwohnungen. Die Mietwohnungsquote liegt in Hamburg bei 80 %, die Eigentumsquote bei 20 %.

Die dann errichteten anderen Wohnungen sind extrem höchstpreisig und verhindern Wohnungsnot und Mietenexplosion nicht. Die Anzahl der bezahlbaren Wohnungen schrumpft eindeutig. Es wird auch von der Sozialdemokratie und den offiziellen Stellen immer noch die sogenannte Sickertheorie vertreten, die in der Praxis schon seit Jahrzehnten widerlegt ist:

Die zahlkräftigen Mieter ziehen in die neu errichteten teuren Wohnungen und machen für die breite Bevölkerung ihre billigen Wohnungen frei.

Bezeichnend für die Hamburger Situation ist auch der massive Leerstand von Wohnraum trotz Wohnungsnot. Der Senat gibt zwar Lippenbekenntnisse zum Wohnraumschutz ab, ihm steht auch mit dem Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz ein geeignetes Instrument zur Verfügung. In der Praxis wird der Leerstand aber aus den oben dargestellten Motiven fast vollständig geduldet. Seit Jahrzehnten werden die Planstellen für den Wohnraumschutz bewusst niedrig gehalten, teilweise sind Mitarbeiter für mehrere Bezirke zuständig. 

Auf eine Kleine Anfrage in der Bürgerschaft hat der Senat kürzlich erklärt, dass 1.740 Wohnungen in Hamburg länger als 4 Monate leer stünden (tatsächlich liegt die Zahl natürlich wesentlich höher). Der Beweis für die negative Politik des Senats in diesem Zusammenhang ist, dass nicht ein einziges Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Leerstands in diesem Jahr eingeleitet worden ist! 

Die massive Spekuation auf dem Wohnungsmarkt wird natürlich durch die niedrigen Zinsen befeuert, sodass sich die Immobilie als Anlagevermögen wieder verstärkt rentiert. 

Auf der anderen Seite sind Wohnungsnot und Mietwucher und mögliche Maßnahmen dagegen seit einiger Zeit verstärkt in der öffentlichen Diskussion. Das ist geradezu der Renner im Moment. Die Frage ist aber, ob das anhält, und ob nicht in kurzer Zeit wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben wird. Ich bin seit 1973 in der Mieterbewegung tätig und weiß, dass man letztendlich an der Wohnungsfrage keine Massenmobilisierung durchführen kann. Vielleicht nur 10 bis 15 % der MieterInnen nehmen ihre vorhandenen Mieterrechte überhaupt wahr. Es bleiben also nur die üblichen Instrumente: Offensive Rechtsberatung, Organisierung von MieterInnen in Mieterinitiativen, Öffentlichkeitsarbeit und der Versuch, über die örtlichen politischen Instanzen und Parteien Druck zu machen. 

Die ganze Debatte um die sog. „Mietpreisbremse“ war und ist reiner Wahlkampf und Dummenfang. Wenn man wirklich etwas zugunsten der Mieter hätte bewirken und eine Herabsetzung überhöhter Mieten hätte erreichen wollen, hätte es genügt den Tatbestand des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz zu ändern oder klarzustellen. Bis zu Entscheidungen des Bundesgerichtshof Anfang der 2000er Jahre war nämlich § 5 Wirtschaftsstrafgesetz ein wirksames Instrument, um überhöhte Mieten jedenfalls in Ballungsgebieten herabzusetzen und auch die überzahlten Mieten für die Vergangenheit zurückzufordern. Nach § 5 Wirtschaftsgesetz ist die Miete dann überhöht, wenn sie in Folge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die ortsübliche Miete um mehr 20 % übersteigt. 

Die Instanzgerichte waren immer davon ausgegangen, dass die Mangellage schon dann gegeben war, wenn in der betreffenden Gemeinde eine Zweckentfremdungverordnung gilt. Diese Mangellage indiziere dann, dass die überhöhte Mietzinsvereinbarung unter Ausnutzung dieser Mangellage zustande gekommen sei. Der BGH hat dagegen diese Rechtsprechung auf den Kopf gestellt und verlangt, dass der Mieter im Einzelfall beweist, dass die Mangellage ursächlich für seine Vereinbarung der überhöhten Miete war. Dies bedeutet praktisch, dass der Mieter nachweisen muss, dass er in der Stadt oder in der Gemeinde überhaupt keine andere Wohnung hätte anmieten können, was unmöglich ist. Damit war der § 5 WiStG tot. Dieser Rechtsprechung des BGH könnte man einfach den Boden entziehen, indem in dem Tatbestand klargestellt wird, dass die objektive Mangellage die Ausnutzung indiziert, so dass es nicht auf die subjektiven Umstände in der Person des Mieters und seine Wohnungssuche ankommt. 

Die Forderungen einer fortschrittlichen Wissenschaft und Politik sind klar:

Grundsätzlich gilt, dass Wohnungen nicht mehr als Ware gehandelt und zum Zwecke des Profits gebaut werden dürfen. Wohnungen müssen als soziale Infrastruktur angesehen werden und jenseits der Profitlogik bereitgestellt, bewirtschaftet und verteilt werden. Der gemeinschaftliche und nicht -profitorientierte Wohnungssektor muss ausgeweitet werden. Dies führt zu drei Elementen einer sozialen Wohnungspolitik: 

  1. Eine konsequente Mietpreisbegrenzung. Hier hat der Berliner Senat erste wirksame Beschlüsse auf Länderebene gefasst. 
  2. Die massive Verstärkung eines aus öffentlichen Mieten finanzierten sozialen Wohnungsbaus mit dauerhaften Mietpreis- und Belegungsbindungen.
  3. Die Vergesellschaftung von Grund und Boden als Voraussetzung für eine soziale Stadtentwicklung (s. Holm und Schreer, Mietpreis-Expolosion und Wohnungsnotstand, isw-Report Nr. 116/117, Mai 2018). Dazu hat sich die Debatte entzündet an dem Berliner Volksbegehren „ DW und Co. enteignen“. 

Auf der parlamentarischen Ebene hat die „Linke“  in Hamburg einige Anträge und Initiativen in oben skizzierte Richtung eingebracht. SPD und Gründe haben ein Tendenzpapier verfasst, wonach anstelle des Verkaufs städtischer Grundstücke zunehmend das Instrument des Erbbaurechts eingesetzt werden soll. 

Schon weil Hamburg von einer SPD/Grüne-Koalition regiert wird ergibt sich, dass die Mieterbewegung parlamentarisch nur von der Partei „Die Linke“ unterstützt wird. Diese übernimmt die Forderungen der Mieterbewegung und trägt sie in die Bürgerschaft. Sie ist aber auch außerparlamentarisch Teil der Mieterbewegung und unterstützt und fördert sie mit. Die Grünen spielen insgesamt in der Mieterbewegung keine Rolle, sie stützen vielmehr bisher jedenfalls willfährig sämtliche SPD-Positonen (höchstens setzen sie sich einmal für mehr Grün im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau ein). 

Aus der Bewegung „Recht auf Stadt“, die auch die Mieterdemonstrationen organisiert, wird gegenwärtig der Versuch unternommen, in Stadtteilkonferenzen den Widerstand durch die Mieterinitiativen und in und aus den Stadtteilen zu bündeln und besser zu vernetzen. 

Der alternative Mieterverein „Mieter helfen Mietern“ hat seinen Schwerpunkt in der (allerdings Konflikte nicht vermeidenden) Mieterberatung, ist jedoch teilweise auch organisierender Teil der Mieterbewegung. Der traditionelle „Mieterverein zu Hamburg“ hat sich in der Vergangenheit durch eine sozialpartnerschaftliche Beratungslinie und eine Nähe zur SPD Politik ausgezeichnet. In jüngster Zeit gibt es jedoch Ansätze, diese Linie in Richtung Mieterbewegung etwas zu verändern. 

Im Moment starten auch zwei Volksinitiativen in Hamburg (an denen ich beteiligt bin): 

  • Mit der einen Volksinitiative soll es dem Senat untersagt werden, städtische Grundstücke und Wohnungen zu veräußern. Vielmehr sollen Anhandgaben nur noch über (sozialverträgliche) Erbbaurechtsverträge erfolgen.
  • Zum anderen dürfen auf Grundstücken der Stadt und ihrer Unternehmen nur noch Wohnungen gebaut werden, der Miete für die Gesamtdauer der Nutzung die Mietsätze des ersten Förderwegs im sozialen Wohnungsbau oder entsprechend der Nachfolgeregelungen (Sozialwohnungsmiete) nicht überschreiten. 
  • Eine weitere Volksinitiative will verhindern, dass der Senat erfolgreiche Bürgerbegehren auf Bezirksebene kassiert („evoziert“). Die Grundlage für diese Situation liegt darin, dass Hamburg eine Einheitsgemeinde ist, und die 7 Bezirke lediglich untergeordnete Verwaltungseinheiten darstellen, und die Bezirksversammlungen keine Parlamente, sondern Verwaltungsausschüsse im Grunde ohne alle Rechte sind. Der Senat, die Fachbehörden und der Bezirksamtsleiter können die Bezirksversammlung in jedem Fall überstimmen bzw. deren Beschlüsse evozieren. Deshalb strebt diese Volksinitiative im Kern an, entweder aus den 7 Bezirken 7 Gemeinden des Landes Hamburg zu machen, oder den Bezirken und den Bezirksversammlungen eigenständige, abschließende Rechte samt eigenen Haushaltsplänen und den Bezirksversammlungen in Sachen der Bezirke abschließende Entscheidungsbefugnis zu geben (sog. erweitertes Berliner Modell).

Wenn diese zweite Volksinitiative erfolgreich ist, hätten die MieterInnen und die BürgerInnen vor Ort größere Einflussmöglichkeiten in bezirklichen Belangen (z. B. Wohnungsbau und Stadtplanung).

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