Zerstörung der Kaltluftachse

Das Pflaster wird zu heiß in Hamburg

„Klimaschutz“ wird für die Metropolregion Hamburg bald zum Thema Nummer eins. Das versprach der erste Bürgermeister Peter Tschentscher im Übersee-Club Anfang des Jahres. Die Behörde für Umwelt wird damit eine große Aufgabe erhalten. In Hummelsbüttel sind sich die Bürger nicht ganz sicher, ob das ein ernstzunehmendes Versprechen ist oder ob sich der Erste Bürgermeister einfach nur versprochen hat.

Kurzer Rückblick: Die von der Behörde für Umwelt und Energie herausgegebene Broschüre „Biodiversität“ rühmt die seit 1938 unter Landschaftsschutz stehende Hummelsbüttler Feldmark als einen von zehn landesweiten „Hotspots“ für besondere Artenvielfalt. Zu Recht: Hier pfeifen Feldlerchen und Dorngrasmücke in den Knicks zwischen den einhundert Jahre alten kulturhistorischen Landwirtschaftsflächen. Darin eingebettet liegen Naturdenkmäler und Naturschutzgebiete wie das Hüsermoor, Kiwittsmoor, Ohlkuhlenmoor und Raakmoor – allesamt Heimat seltener Pflanzen- und Tierarten.

Die Moor- Wald-, Acker- und Grünflächen sind ein ideales „Kaltluftentstehungsgebiet“ und damit Ausgangspunkt und Teil eines Luftkorridors zur Versorgung Hamburgs mit frischer, kühler und sauberer Luft. Denn nachts sammelt sich über dieser Landschaftsachse kalte Luft bis in eine Höhe von zwölf Metern, die tagsüber in die Stadt zieht und sie kühlt. Und das wird in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger.

Kartendarstellung der nördlichen Kaltluftachsen Hamburgs
„Landschaftsachsenmodell, Konzeptkarte zur Vorbereitung der Aufstellung des Landschaftsprogramms 1997-, – Quelle: FHH, Behörde für Umwelt und Energie“

Der Deutsche Wetterdienst beobachtete in den letzten zehn Jahren eine deutliche Zunahme der sommerlichen Hitzetage. Die Stadt Hamburg hat deswegen bereits im „Klimaplan 2015“ festgestellt: Es darf keine Bebauung in Landschaftsachsen geben. Das wurde dann auch im Regierungsprogramm festgeschrieben: „Landschaftsachsen sind keine Baureserven.“

Doch an der Umsetzung dieser neuen Ziele hapert es noch. Erstaunt mussten die Hummelsbüttler 2016 feststellen, dass in der Feldmark trotzdem gebaut werden sollte. Im Zuge des neuen Baurecht-Paragraphen 246 wurden Wohnblöcke errichtet (Nordnetz berichtete).

Engagierte Bürger gaben den zuständigen Politikern und Behörden wiederholt Informationen über die Funktion der Landschaftsachsen. Und es schien zunächst, als hätte man die Bedeutung der Feldmark für den Klimaschutz verstanden.

Umso erstaunlicher dann der nächste Schritt: Die Politik ließ ein Gut- achten erstellen, wofür sie lange suchen musste, bis ‚passende‘ Experten aus Österreich gefunden waren. Das Gutachten von „weatherpark“ kam zu dem Schluss, dass die Bebauung den Zug der Kaltluft nicht störe. Angeblich könne die Kaltluft über eine „grüne Fuge“ neben der Bebauung zur Alsterachse hin ausweichen. Der Clou: Beim näheren Lesen wird ersichtlich, dass das Gutachten in seinen Berechnungen nicht das gesamte Kaltluftentstehungsgebiet der Feldmark berücksichtigt hat, sondern nur exakt die Quadratmeter, die es zu bebauen galt.

Und so wird inzwischen – trotz aller Aufklärung durch städtische Wissenschaftler und Bürger – hier gebaut. Und zwar genau am Auslaufventil der Kaltluft: am südlichen Ende der Feldmark. Viergeschossige Wohnblocks erstehen gerade als geschlossenes Karree, wobei der erste und der zweite Bauabschnitt ausgerechnet nebeneinander platziert wurden. Der Anschluss der Kaltluft an die Alsterachse ist damit erheblich eingeschränkt.

Vor über einhundert Jahren hat der damalige Oberbaudirektor Fritz Schumacher festgelegt, dass die Landschaftsachsen nicht bebaut werden dürfen, damit sie auch künftigen Generationen zu Gute kommen. Die Bedeutung der Hummelsbütteler Feldmark für die Belüftung der Stadt in Zeiten des Klimawandels erreicht die Behörden erst allmählich. Peter Tschentscher jedenfalls hat verstanden: „In der Hummelsbütteler Feldmark wird nicht mehr gebaut“, versprach der Erste Bürgermeister Anfang September 2018 auf einer öffentlichen Anhörung im Gymnasium Hummelsbüttel. Und damit es alle verstehen: Er sagte es sogar zweimal. Unsere Aufforderung: Herr Bürgermeister, werte Vertreter in den Bezirken, halten Sie diesmal Ihre Versprechen! Wir sind gespannt.

Jens Seyer, Verein zur Erhaltung der Hummelsbütteler Feldmark e.V.
(Der Artikel erschien in der Nordnetz-Zeitung vom II. Quartal 2019)

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